Der Baum
Der Mammutbaum ist so einzigartig, wie das Haus auf der Waldlehne. Immer wenn ich die Nadeln weggefegt habe und jemand vorbei kam, wurde ich gefragt, was denn das für ein Baum sei. Das, gab ich gerne Auskunft, ist ein Mammutbaum. Er ist fast so alt wie ich. Als mein Vater ihn ca. 1976 gepflanzt hat, konnte ich mit dem ausgestreckten Arm seine Spitze erreichen. Mein Vater trug seine Gartenlatzhose und mit der Schaufel und der Hilfe vom Nachbarn Herrn Kascha, ein Förster mit silbergrauem Haar, wurde der Baum in die Erde versenkt. So wuchs er dem Haus schliesslich über den Kopf.
Meine Mutter machte sich immer Sorgen. Ob das Wurzelwerk einmal das Haus angreifen könnte. “NEIN”, sagte Herr Kascha. “ der Baum hat eine Pfahlwurzel. Da kann nichts passieren!” Bis heute hat er Recht behalten. 2008 sollte der Baum gefällt werden, weil die Wurzeln das Ableitungssystem durchdrungen hatten. Aber die Baumbehörde hat es verboten. Meine Mama war nur halbfroh darüber. Denn so musste sie damals eine wesentlich teurere Verlegung der neuen Leitung bezahlen. Aber sie hat heimlich den Baum geliebt. Und vor mir stets die Nadeln gefegt. Auch wenn die Nachbarin ihr immer den Floh ins Ohr gesetzt hat, der Baum könne die Gasleitung angreifen.
Der Baum ist wunderschön. Mächtig, prächtig und bewundernswert. Er bietet Schatten und Schutz. Manchmal nerven die Nadeln. Aber das Fegen ist zu meinem Ritual geworden. Der Baum hat viele Namen. Immer ein Name, der mir spontan einfällt. Man sieht ihn weit weg schon vom Feld her. Eines Tages werde ich wohl entdecken, das etwas fehlt. Eines Tages wird der Baum gefällt sein. Ich bin froh, dass wir es nicht tun müssen. Danke Baum. Ich bin sehr Stolz auf Dich und werde dich vermissen.