29 November, 2021 19:47
Kellerkinder
Als wir 1972 in die Waldlehne einzogen, waren meine Schwestern und ich 4, 6 und 7 Jahre alt. Wo also, haben sich meine Eltern gefragt, kann die Rasselbande spielen, ohne zu stören, etwas schmutzig zu machen oder sonstwie zu nerven? Ganz genau!!! Im hinteren, letzten Kellerzimmer. Direkt neben der Waschküche. Fortan wurde das Zimmer “der Spielkeller” genannt. Keinesfalls zu verwechseln mit dem Hobbykeller, wo sich Sauna, Tauchbecken und Tischtennisplatte befanden (später dann Discomaschine, Stereoanlage und ausgediente Sofas als Knutschecken).
Wir spielten dort gern. Ebenso ungestört von den Eltern und Krach machen konnte man auch. Es gab alte Schränke zum Vollstopfen, und Aufräumen, das war das Beste, mussten wir fast nie.
Alles, was in unseren Zimmern ausgedient hatte, wanderte in den Spielkeller. Leider später auch das arme Meerschweinchen namens Mucki, ein Albino mit roten Augen. Mucki stank. Nicht etwa, weil es ein Meerschweinchen war, sondern weil meine Schwester Nettie schnell den Spass an ihm verlor und viel zu selten den Stall sauber machte. Leider war das schon zu einer Zeit, in der wir kaum noch im Spielkeller spielten. Meine Mutter machte dem traurigen Dasein des Mucki im inzwischen etwas trostlosen, halbdunklen Spielzimmer ein Ende, indem sie meine Schwester aufforderte, das arme Tier doch wenigstens zu verschenken, was dann auch geschah. Viel viel später erfuhr ich einmal beiläufig, dass Mucki kurz nach dem Verlassen der Waldlehne verstarb. Die näheren Umstände wurden nie aufgeklärt. Es hiess, es sei “runtergefallen”.
Gestern kam mir all dies in den Sinn. Beim Anblick von drei vertrockneten Fröschen, einer Schnecke und einer noch Recht gut erhaltenen Feldmaus hinter dem alten Mahagonischrank erinnerte ich mich auch an Netties Sezierkoffer. Der war gruselig, enthielt er doch einen Frosch im Glas, den niemand sezieren wollte (wir waren doch keine Jungs!), so dass er immer grimmig mit dem weissen Bauch ans innere Glas gequetscht in einer langsam trüber werdenden Flüssigkeit schwamm, bis der ganze Koffer mitsamt Frosch auf dem Sperrmüll landete.
Nun ist dieser wundersame Ort leer. Aber die Erinnerungen und den Spass den wir dort hatten, den Grusel, den er manchmal hervorrief, die berechtigte Angst meiner Mutter, dass Tiere durch die offen gelassen Kellerfenster eindringen könnten (womit sie Recht hatte) hängen noch in der Luft. Manchmal süss, manchmal bitter.
Ach, es war eine herrliche Zeit.